Krysia Sar Gedanken zum Thema Generation Facebook

Witam serdecznie, herzlich willkommen zum Gedankenaustausch zum Thema „Generation Facebook erzählt“ (po polsku =Pokolenie facebooka) Das rege Interesse an diesem Thema freut mich sehr und zeugt von seiner Brisanz. Es ist eine folgerichtige Fortsetzung des im März hier begonnenen Dialogs mit unseren Enkel, an dem mein Mann und ich uns ebenfalls beteiligt haben. Großartig übrigens wie unsere junge Leitung des Sprachcafes  die hier diskutierten Themen medial verarbeitet. D.h. wir hier sind nicht nur im Internet mit Ankündigungen per Email vertreten, sondern auch on Facebook und neulich im Blog. Bedauerlicherweise konnten wir an einem Mittwoch um 11,00 keine direkte Präsenz der Vertreter der Generation facebook bei uns erwarten. Denn sie haben –so hoffen wir - zu tun, Studium, Schule oder Arbeit, das ist klar. Wir müssen also überlegen wie wir in Dialog mit ihnen kommen, denn wie ich es verstanden habe, gab es auch bei anderen derartigen Veranstaltungen keine direkte juvenile Präsenz.

 

Und da wären wir doch schon bei unserem Thema, das sehr vielschichtig ist und darum lasst uns mit ein paar generellen Fragestellungen anfangen, die wir heute vielleicht nicht beantworten werden, die aber aus meiner Sicht zum Thema gehören und ihre Beantwortung bzw. alleine die Fragestellung uns helfen können, das Ganze vor dem Hintergrund der Geschichte, der Evolution besser einordnen zu können.


Aber warum wollen wir – „old school“ - uns überhaupt mit dem Thema beschäftigen? Was passioniert uns eigentlich so an diesen geschichtlich neuen  Medien? Und an der Generation, die nie gelernt hat, ohne das Internet zu leben? Was ängstigt uns? Was geht hier überhaupt vor? Überwiegen Chancen oder Gefahren? Ist es wieder etwas Bedeutendes, Neues, Ausdruck dessen, dass Eltern und Kinder einander immer unähnlicher werden? Dass es keinen kulturellen Automatismus mehr gibt, der auf gesicherte Weise von Großeltern zu Kindern zu Enkeln führt? Ist es die Moderne, der große Bruch zwischen den Generationen, Zeit des Realismus, der ja eine juvenile  Erfindung ist? Er bedeutet, dass die Jungen erst gar nicht anfangen, werden zu wollen, wie die Eltern? Um keinen Preis wollen sie so werden, wie einmal ein anderer gewesen ist? Was wollen sie stattdessen?  Sie wollen sie selber sein, sostrebt jeder danach eine Singularität zu werden. Im Zeitalter von Facebook ist die Jugend, was sie schon immer war: Auf der Suche nach sich selbst.  Leider wird sie viel zu oft damit allein gelassen. Wäre es vielleicht eine Idee ein „familiären Trainingscamp“ einzurichten? In diesem Zusammenhang bleiben wir bei Philosophen, wie z.B. Peter Sloterdijk, der gerade ein Buch unter dem Titel „ Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ schrieb. Ist es so, wie er schreibt, dass die Jugend völlig unterschiedlichen Verhaltensmoden folgt? Das Instabile ihrer Aktivitäten und die Gleichzeitigkeit entgegen gesetzter Einstellungen- erhöhte Gewaltbereitschaft hier, demonstrativer Pazifismus dort, Kirchentage, Vandalismus, durch ihren Willen zum Erlebnis wird sie zum Vorbild für ganze Gesellschaften. Das ist nichts Neues.  Die Jugend verstehen, mit ihr Schritt zu halten, bleibt ein normales Bemühen älterer Generation, der sogenannten old school, wie wir betitelt werden und es ist etwas Schönes an diesem Begriff. Und etwas Zutreffendes.

Die Tendenz  brach im 19. Jahrhundert auf, in dem man die Frage nannte: Wie hängen Menschen mit Menschen wirklich zusammen? Durch Gesellschaft, also durch Sozialisation und Klassensolidarität? Stimmt es, dass der reale Zusammenhang, also der genealogische, immer mehr in den Hintergrund tritt? Ist es so?

Und trotzdem sind sich Denker einig, dass die Welt seit dem letzten Jahrhundert dabei ist, besser zu werden. Obwohl eins für sie fest steht: Das 20. Jahrhundert sprengte die alte Welt der genealogischen Beziehungen in die Luft.  Das deutlichste Kennzeichen dessen ist, in welchem Maß die Diskriminierung des unehelichen Kindes vor dem Gesetz erloschen ist: Restlos.   Frage: Sind auch Stand, Status und Klasse als soziale Regulative fast verschwunden? Heißt es nicht, dass sich jeder ungeschützt mit jedem vergleichen muss? Die Älteren von früher haben den Jungen gesagt, wie es lang geht und dass es darauf ankommt, was man hat und mit dem, was man ist, zufrieden zu sein. Diese Lebensklugheit ist durch massenmediale Trends hinweggefegt worden.

Sind Menschen dafür geschaffen, sich distanzlos mit den Erfolgreichsten zu vergleichen? Nein. Sie brauchen einen Schutzmantel, der sie in den Spielräumen ihrer Lebenschancen stabilisiert und ihre Verstimmungen mildert.  Und: Haben sie ihn in den neuen medialen Formen eventuell gefunden? Ist es so, dass seitdem im Internet Ton, Text, Fotos und Bewegbilder also Videos zusammengefasst sind, dass die Jungen das Gefühl haben, dass es nicht mehr irgendetwas/irgendwer wirklich weit entfernt sei? Man schreibt, was einem durch den Kopf geht, weist auf Funde im Internet hin, bewertet die Mitteilungen anderer, verabredet sich, sucht Anschluss. Oder man lässt es.

Facebook hat nun 1 Mrd Mitglieder. 1/7 der gesamten Menschheit, in Deutschland  ¼ der Bevölkerung. 2/3 davon sind jünger als 30. In der Studentengeneration soll die Beteiligungsrate noch höher sein. Die Jugend probiert eben aus, was auszuprobieren der Rest weniger Zeit hat. Daraus lernt sie selber, weswegen dann irgendwann auch wieder maßvoller kommuniziert wird.

Die neuen Medien haben ein Aspekt, das der Jugend besonders entgegen kommt: Sie entkoppeln den Kontakt zu Bekannten von physischer Anwesenheit. Ob man gerade in Semesterferien weilt, einen Umzug hinter sich hat, der Weltjugendtag vorbei ist oder die anderen noch wach sind, spielt auf Facebook keine Rolle. Man kann kommunizieren, ohne auf Klärung von Terminen, Tagesplänen angewiesen zu sein. Daran ist besonders eine Gruppe interessiert, die erst noch ausprobiert, woran sie sich bindet und in welchen Rhythmen ihr Alltag verläuft. Hast Du schon gesehen…? Ohne zu nerven, wer nicht antworten will, der lässt es sein. Während man beim Telefongespräch sich positionieren muss. Nein, das wollen sie nicht. Sich unter Druck setzen zu lassen.

Das Bedürfnis nach ständiger, unauffälliger, konfliktarmer Abgleichung des eigenen Urteils und Selbstbildes mit anderen ist das Motiv.

Die Sache mit dem „Teilen“ ist  keine schlechte Idee. Wie eine sanfte, pastellfarbene Utopie avancierte dieser Begriff zum Kern jener Kohorte an jungen Menschen, die gerne als Generation Facebook betitelt wird. Studien und Statistiken malen das Bild einer netten, verantwortungsvollen Gruppe junger Erwachsenen, die lieber nicht Chef werden wollen, sondern in Teams arbeiten, die kein eigenes Büro haben, sondern nur mehr Coworking spaces (Gemeinschaftsräume) bilden. Junge Menschen, die kein Auto anstreben, sondern ihre Wohnung für Couchworking bereitstellen, die Carsharing betreiben, die nicht mehr shoppen, sondern Klamottentauschpartys besuchen. Es ist die Suche nach dem kleinen Resonanzraum in einer Umwelt zunehmender Komplexität: Wenn wir schon die Welt nicht verstehen können, dann teilen wir immerhin unsere Autos, schonen damit die Umwelt und werden von Fremden zu Freunden. Hinter diesem Motto verbirgt sich die Sehnsucht nach einem Wir, eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit neuer Art und diese gehört in der Psychologie an die 2. Stelle nach der Sehnsucht nach der Liebe.  Jeder kann sich am großen Ganzen beteiligen, lose hängen alle zusammen, jeder kann teilhaben, sich bedienen oder auch weiterziehen, es gibt immer eine Art Gemeinschaft. „We share because we care“ hieß das schillernde Motto für 2012. Es ging dabei um das immaterielle, virtuelle Selbst. Teile Dein leben, so das Versprechen und es wird intensiver. Je mehr Menschen Du Dein Glück zeigst, desto größer wird es. Und eine Hoffnung: Je mehr Menschen ein Unglück sehen, desto kleiner wird es. Facebook  schien plötzlich das Problem der mangelnden Empathie zu lösen. Ist es so? Oder ist FB irgendwo auf dem Weg dahin, ein spannendes Ideennetzwerk, ein Ort von Interesse oder gar global wirksamer Politik zu sein, falsch abgebogen? Zum Eskapismus anderer Art?

Und wir – old school - wollen uns doch nicht soweit damit beschäftigen, da fehlen uns Fachkenntnisse und lösen werden wir die Probleme auch nicht. Aber die Zustände zu beklagen und gegen Windmühlen kämpfen, hilft wenig- wir sind aufgefordert zu handeln. Worin es bestehen kann? Im Brückenbauen zwischen den Generationen. Laden wir weiterhin zum Dialog mit Jugendlichen ein, legen die Berührungsängste ab, denken daran, dass in der Agglomeration und den Städten gibt es immer  weniger Orte, an denen sich Jugendliche unbeaufsichtigt und ohne etwas zu konsumieren versammeln können (Übrigens die Facebook Fans von Justin Bieber gründen eine Fangemeinde, die aus über 50 Mio Menschen besteht). Denken wir daran, dass Schoppenhauer, bereits 1851, das Lesen als Sucht bezeichnete, es wurden dieselben Argumente, die gegen die neuen Medien jetzt benutzt werden, damals gegen das Lesen genutzt. Später ging es gegen das Kino. Es ist wie es ist. Die Entwicklung lässt sich halt nicht aufhalten. Und Maschinenstürmer hatten damals in old England auch nichts erreicht.

 

 

Digital natives:  Die Generation Social Media (GSM) „ Ich habe nie gelernt, ohne das Internet zu leben“.   Mit der GSM sind Menschen gemeint, deren Erwachsenwerden von digitaler Kommunikation begleitet wurde. 70% der 12-19-jährigen in D. benutzen das Internet 5x pro Woche, die ältesten 25 Jahre, die jüngsten in der Pubertät. Und ihre Anzahl wächst täglich. Mit einer immer stärkeren Beteiligung älterer Generationen. Uns eben. Old school.

 

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